Beinamputation verhindert

Die 41-jährige Türkin Fatma B.* leidet an der seltenen Immunerkrankung NFkB1-Defizienz. Durch eine Fehlsteuerung des Abwehrsystems kann sich ihr Körper nicht so gut gegen Infektionen wehren. Sie leidet ständig unter Infektionen, hat Herpes, offene Stellen im Mund/Rachen und ist kraftlos und müde. Außerdem richtet sich ihr Abwehrsystem gegen den eigenen Körper, was zu einer Autoimmunerkrankung führt. Darüber hinaus leidet sie an Thrombozytopenie, einer verminderten Anzahl von Blutplättchen im Blut, was das Blutungsrisiko erhöht. Seit vielen Jahren ist sie Patientin von Professor Grimbacher am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg. Zur Behandlung ihrer Krankheit erhält sie monatlich eine Infusion.

Fatma B. hatte ihre Familie in der Türkei schon lange nicht mehr gesehen und war über Weihnachten in ihre Heimat geflogen. Einen Tag vor dem Rückflug bemerkte sie zwei fingerkuppengroße offene Stellen an ihrem rechten Bein. Am nächsten Tag waren sie handtellergroß und aufgeplatzt, so dass sie ins Krankenhaus musste und nicht mehr nach Hause fliegen konnte. Die Patientin musste mit ansehen, wie die Wunden explodierten und immer mehr gesundes Gewebe zerstörten. Innerhalb weniger Tage war das gesamte Bein vom Gesäß bis zur Wade betroffen. Die türkischen Ärzte waren ratlos.

Sie wandte sich an Sofi K.*, die sie aus Deutschland kannte. Sie ist ebenfalls Türkin und engagiert sich ehrenamtlich in einem Dolmetscherpool der Stadt Oberkirch. Als Dolmetscherin begleitete sie Fatma B. bei rechtlichen und bürokratischen Angelegenheiten, da diese kaum Deutsch spricht.

Als Sofi K. die schockierenden Bilder der Wunde sah, kontaktierte sie noch am Wochenende den behandelnden Arzt, Professor Grimbacher vom CCI in Freiburg. Dieser reagierte sofort und setzte sich mit den Ärzten in der Türkei in Verbindung. „Die Patientin braucht so schnell wie möglich eine anti-TNF-Spritze, damit das Bein nicht amputiert werden muss“, verordnet Professor Grimbacher. Auch die monatliche Infusion, die wegen der nicht angetretenen Rückreise überfällig und nur in Deutschland erhältlich ist, muss schnellstmöglich nachgeholt werden. „Nach einer schlaflosen Nacht stand ich am nächsten Morgen als Erste vor der Tür ihres Hausarztes“, erzählt Sofi K.. Mit Hilfe von Professor Grimbacher stellte der Hausarzt ein Rezept aus, und am Nachmittag traf die Infusion in der Apotheke ein. Parallel dazu versuchte sie vergeblich, bei verschiedenen Fluggesellschaften einen Transport der Infusion in die Türkei zu organisieren. Kurzentschlossen buchte sie selbst einen Flug, packte die Infusion in ihren Koffer, flog am Abend in die Türkei und brachte sie am nächsten Morgen ins Krankenhaus.

„Ich hatte solche Angst mein Bein zu verlieren und war so froh, als ich die Infusion und die anti-TNF-Spritze bekam“, erzählt Fatma B.. Schon am nächsten Tag schlug die Therapie an und die Wunde breitete sich nicht weiter aus. In der folgenden Zeit musste die Wunde im Krankenhaus weiter behandelt werden. Sofi K. flog zurück nach Deutschland und kümmerte sich um den Rücktransport der Patientin, die nicht allein fliegen konnte. Unterstützt wurde sie dabei von der Sozialarbeiterin am CCI, die sich für die Belange von Patient*innen mit Immundefekt einsetzt und deren Stelle zur Hälfte von PROimmun e.V. finanziert wird.

Ende Januar war es dann soweit: Eine OP-Schwester begleitete die Patientin auf ihrer Rückreise von der Türkei nach Deutschland. Im Flugzeug bekam sie zwei Plätze, da sie ihr Bein hochlegen musste. Da ein Krankentransport von der Versicherung abgelehnt wurde, ging es von Frankfurt aus mit einem Großraumtaxi weiter in die Notaufnahme der Uniklinik Freiburg. Dort wurde sie zwei Wochen stationär behandelt. PROimmun e.V. übernahm die Kosten für den Rücktransport der Patientin.

Fast ein Jahr später müssen ihre Narben immer noch behandelt werden und sie ist immer noch krankgeschrieben. Es ist davon auszugehen, dass sie dauerhaft arbeitsunfähig bleiben wird. Dennoch wollte sie unbedingt in die Türkei zurückkehren. Ihre schwerkranke Mutter lag im Krankenhaus. Dieses Mal hatte sie alle Medikamente dabei. Drei Stunden nach dem Wiedersehen stirbt die Mutter.

* Name geändert